Erinnerungen – Teil 1

(pwc) Mal mehr mal weniger wird man aber doch in regelmäßigen Abständen von der guten alten Zeit eingeholt und erinnert sich gerne an längst vergangene Tage an denen das Leben noch unbeschwert war und die einzige Verantwortung darin lag, in der Schule gute Noten zu erzielen. Weit weg von der Verpflichtung im Beruf Leistung zu bringen und den Lebensunterhalt selbst bestreiten zu müssen. Da diese Zeit nicht wiederkehrt und für immer verloren ist, ist es umso wichtiger, dass das einzige was uns verbleibt erhalten wird: Die Erinnerung. Doch je älter wir werden und je mehr Zeit vergeht umso blasser wird diese. Aus diesem Grund schreibe ich die Erinnerungen auf und teile sie mit euch. Die Meisten werden meine Aufzeichnungen wohl nicht interessieren, aber vielleicht sind auch ein paar Leserinnen und Leser dabei die ganz ähnliches erlebt haben. Alle Personen (und alle Orte) die in den Erzählungen vorkommen sind real. Um aber dem Datenschutz gerecht zu werden, werden die Beteiligten nur jeweils mit ihrem Vornamen angesprochen.

Lehnt euch nun zurück und begebt euch auf einen Trip in die 90er Jahre:

Geboren bin ich zwar im Saarland – eingeschult wurde ich allerdings nach unserem Umzug in Rheinland-Pfalz. Praktisch fand der überwiegende Teil der Kindheit in Mainz statt – genau genommen im Stadtteil Hechtsheim. Wir wohnten in der für Kinderaugen relativ langen Straße „An den Mühlwegen“. Diese wurde wiederrum von einigen anderen Straßen flankiert. Dadurch ergaben sich von oben betrachtet zig Quadrate und Rechtecke die allesamt von Kindern um mein Alter bevölkert waren. Glücklicherweise – denn so war im Prinzip immer etwas los im Umfeld. Nach der Schule konnte man auf gut Glück nach draußen gehen und spielen – Spielpartner für spannende Transformers, M.a.s.k., Battle Beasts und G.I. Joe Actionfiguren-Gefechte waren ganz schnell gefunden.

Als 1990 der Game Boy nach Europa kam existierten zwar immer noch Actionfiguren, Lego, WWF-Sammelkarten und Flummis in den Hosentaschen – man merkte aber deutlich, dass da etwas auf uns hereinbrach was einfach unwiderstehlich war. Der Game Boy, ein kleiner grauer Kasten der unsere Augen gebannt auf das kleine Display lenkte. Zu diesem Zeitpunkt war ich selbst noch nicht im Besitz eines Game Boys – der Entschluss stand aber fest, dass ein solches Gerät unbedingt hermusste.

Mit Daniel und Thomas saßen wir auf der ersten Stufe zur Hauseingangtür und versperrten damit den Weg für alle die hinein oder hinaus wollten. Wir merkten das nicht – wir saßen gebannt vor dem Game Boy. Einer spielte – vier weitere Augen saßen daneben und schauten interessiert Burai Fighter Deluxe zu. Es war ein sommerlicher Tag – kurze Hosen hatten wir an – bunt, typisch 90er Jahre und Turnschuhe von Nike. Dazu nicht ganz passend das Hipbag von Reebok in dem sich neben Sammelkarten auch immer ein 5 Mark Stück befand falls man mal spontan Lust auf einen BigMac hatte. In Hechtsheim ist ein McDonald’s angesiedelt – man muss nur die Rheinhessenstraße hinunterlaufen.

Völlig begeistert von dem Game Boy Erlebnis ging ich wenige Tage später ein Tauschgeschäft ein. Für ein loses Modul The Amazing Spider-Man war ich bereit mich von einem meiner wertvollsten Schätze zu trennen: Meiner Yoda Actionfigur inkl. Mantel und Schlange. Der Gürtel und der Stab fehlten zwar – aber für meinen Tauschpartner war dies akzeptabel. Dem Geschäft stand nichts im Wege und so willigten wir ein. Glücklich mit dem Modul in der Hand, allerdings keinen eigenen Game Boy besitzend, kehrte ich zurück nach Hause und zeigte die neue Errungenschaft meinem Bruder. Das Glück hielt allerdings nicht lange an: Als meine Mutter erfuhr, dass ein Game Boy Spiel im Laden 69 Mark kostete drängte sie darauf den Tausch rückgängig zu machen und begleitete mich am selben Abend noch zu Christian dem ich die Situation schilderte. Wir waren beide nicht begeistert.

Dann, im November 1990 bekam ich endlich meinen Game Boy zum 12. Geburtstag. Als damals großer Looney Tunes Fan investierte ich mein Geburtstagsgeld in das Spiel The Bugs Bunny Crazy Castle mit dem ich mich stundenlang beschäftigen konnte.

1992 fand an meiner Schule ein Austausch zwischen Schülern aus Erfurt statt. Auch ich nahm auf Wunsch meiner Eltern teil und fuhr mit allen Freiwilligen nach Thüringen. Das muss die Zeit gewesen sein, als ich erstmalig mit einer mir fremden Musik in Kontakt kam: Heavy Metal. Nothing Else Matters von Metallica war plötzlich angesagt – für mich als ICE-T Konsument etwas völlig neues. Wie dem auch sei – irgendwann wurde der Spieß umgedreht und mein Austauschpartner verbrachte einige Wochen bei mir zu Hause in Mainz. Leute ich sage euch, den Game Boy hätte ich in dieser Zeit besser weggesperrt. Der Austauschschüler war süchtig nach dem Gerät und spielte Abends bis tief in die Nacht. Und ich lag neben ihm im vollen Bewusstsein, dass am nächsten Tag wieder Schule auf der Tagesordnung stand und wir früh aus den Federn mussten. Das ging die ganzen zwei Wochen so weiter.

Losen Kontakt hatte ich bis dahin auch noch zu einem Kindergartenfreund der im Saarland wohnte und den ich ab und an in den Ferien besuchte. Der alten Zeiten willen und weil meine Eltern die Gelegenheit nutzen ebenfalls alte Kontakte im Saarland zu pflegen. Stephan zeigte mir einen Lebacher Spielwarenladen namens Louis. Heute existiert das Geschäft nicht mehr – aber 1993 war der Laden noch quitschlebendig. An zwei Game Boy Displays versuchten wir unser Glück mit Kirby’s Dream Land und Alien 3. Nachdem wir einen gefühlten Nachmittag mit daddeln verbracht hatten war ich konfus und wusste nicht, von welchem der beiden Spiele ich mehr begeistert war. Kirby war recht einfach durchzuspielen und besaß eine zuckersüße Grafik. Alien 3 hingegen trumpfte mit unheimlichem Soundtrack und einer wesentlich erwachsener wirkenden Optik aus der verfälschten Vogelperspektive.

Zurück in Mainz leihte mir Mark sein The Humans aus. In dem Spiel muss man innerhalb einer bestimmten Zeit mit seinen zur Verfügung stehenden Steinzeitmenschen ein bestimmtes Missionsziel erreichen. Das war gar nicht so einfach weil die Figuren miteinander kooperieren mussten um im Level weiterzukommen. Starb eine Figur wurde es immer schwerer das Ziel zu erreichen. In Zeiten ohne Internet kamen für die Lösung eines Levels nur drei Dinge in Frage: Darauf hoffen, dass in der Zeitschrift Videogames irgendwann einmal Lösungswege aufgezeichnet wurden, die Nintendo Hotline anrufen und mit den Eltern Ärger bekommen weil die Telefonrechnung wieder so hoch ausgefallen ist oder einfach Mark anrufen der das problematische Level bereits gemeistert hatte. Man muss sich das so vorstellen: Ich sitze auf dem Fußboden neben dem Holzschränkchen auf dem das Telefon steht, blockiere das Telefon 30 Minuten lang um das Level genauestens zu beschreiben und Mark versucht sich an das Level zu erinnern und eine Lösung zu rekonstruieren. Aus heutigen Gesichtspunkten irgendwie verrückt.

Tauschgeschäfte in der Nachbarschaft haben in den 90ern an der Tagesordnung gestanden. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit kamen Geschäfte zustanden. Auch Kinder verstehen ganz schnell das Prinzip von Angebot und Nachfrage und sind in der Lage ihre Ware geschickt zu hypen. In Zeiten in denen die einzige finanzielle Quelle das wöchentliche Taschengeld von 20 Mark war und ausreichen musste, war man untereinander auf Tauschgeschäfte angewiesen um etwas Abwechslung in die Spielekiste zu bringen. Im Hipbag trug man immer schon ein paar Dinge mit sich herum, denn man wusste, dass man in der Nachbarschaft recht schnell auf potentielle Tauschpartner stieß. Die wirklich coolen Sachen wurden aber zu Hause aufbewahrt und erst dann hervorgeholt wenn man sich sicher sein konnte, ein Bombengeschäft einzugehen. In diesen Fällen lief man schnell nach Hause und packte seinen Rucksack mit Spielzeug. Actionfiguren und Game Boy Spiele standen recht hoch im Kurs. Auch Kombinationsgeschäfte wurden abgewickelt. Man tauschte etwas ein, dass man umgehend mit einem anderen Tauschpartner weitervertauschte. Kinder sind so verdammt clever – da wurden seinerzeit einige Leute richtig reingelegt.

Irgendwann gegen Mitte der 90er Jahre setzte das Bewusstsein ein, Spiele komplett zu sammeln. Oft wurden davor die Pappverpackungen einfach entsorgt weil sie keine wirklich große Rolle spielten. Es gingt immer nur um das Spiel selbst. Alexander schnitt die Cover der Game Boy Pappverpackungen aus und hängte sie an seine Pinwand. Ja ja – man war eben noch Kind gewesen.

Als man älter und cooler wurde und ohne die elterliche Begleitung in die Mainzer Innenstadt durfte, gab es eine Adresse die wir als absolutes Pflichtprogramm ansahen: Das ►Zapp Games in der Altstadt. Umgeben von Game Boy, Super Nintendo, Mega Drive und Neo Geo Spielen war dies ein Paradies auf Erden. Mit 69 Mark ausgestattet wussten wir ganz genau, wie man das Geld auf den Kopf hauen konnte: Im Laden selbst konnte man die Spiele vor Ort testen. Mark musste sich zwischen Darkwing Duck oder Mystic Quest entscheiden. Ich riet ihm zu Mystic Quest.

Am 40. Geburtstag meiner Mutter überkam mich eine besondere Situation: Mein Opa steckte meinem Bruder und mir jeweils 50 Mark zu. Und zwar genau in diesem Moment, als ich eher abwesend von der Geburtstagsfeierlichkeit in die aktuelle Club Nintendo Ausgabe vertieft war. Aufgeschlagen war die Vorstellung von Wario Land. Die 50 Mark kamen also gerade zur richtigen Zeit.

So das waren meine Erinnerungen an die glücklichen Game Boy Tage. Ich hoffe ihr hattet ein wenig Spaß beim Lesen. Sobald mir weitere Dinge aus der Vergangenheit einfallen, gibt es auf alle Fälle eine Fortsetzung.

Ihr könnt euch auch noch an eure aktive Game Boy Zeit erinnern? Ihr schreibt gerne und habt Interesse euren Text zu veröffentlichen? Na dann nix wie her damit: channard[at]dmgpage.de

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