Nicht lizenziert, kopiert und angeschmiert – Piratenmodule auf dem Game Boy

(pwc) Kopiert wurde schon immer. Ob Textilien, Medikamente, Schuhe, Filme, elektronische Geräte oder sogar Architektur. Man könnte meinen, nichts und niemand ist vor illegalem Abkupfern sicher. Auch Game Boy Spiele werden fleißig kopiert und nicht nur auf dubiosen Märkten feilgeboten. Piratenmodule für den Game Boy, den Game Boy Color oder auch den Game Boy Advance finden sich in bemerkenswerter Menge auf Flohmärkten oder Auktionsplattformen im Internet. Oftmals sind sich die Anbieter gar nicht darüber bewusst was sie da verkaufen, denn einige gefälschte Module sehen sehr professionell aus und ein unwissender Verkäufer/Käufer geht öfter von einem Original aus als man denkt. In diesem kurzen Bericht stelle ich ein paar Piratenmodule vor und zeige euch, wie sich diese von original lizenzierten Modulen unterscheiden.

Wieso gibt es eigentlich Piratenmodule und nicht lizenzierte Software?

Im Prinzip geht es auch hier, wie überall auch, um’s liebe Geld. Das Lizenzierungsmodell der Firma Nintendo ist so konstruiert, dass saftige Lizenzgebühren durch die Lizenznehmer fällig werden. Diese zahlen die Gebühren natürlich weil ihnen erstens nichts anderes übrig bleibt und zweitens durch die Entwickler ein berechtigtes Interesse vorliegt ihre Software einem theoretischen Millionenpublikum zugänglich zu machen. Immerhin hat sich der Game Boy Classic über 118 Millionen mal verkauft – ein riesiger Markt also von potentiellen Abnehmern. Die Lizenznehmer sind berechtigt, das Nintendo Qualitätssiegel zu tragen, ein wertvolles Qualitätsmerkmal und Orientierungshilfe für Verbraucher.

►Fangen wir mit der chinesischen Firma Sachen an, die auch unter dem Namen Thin Chen Enterprise bekannt war. Die Firma bestand von 1988 bis 2007 und hat sich zu Beginn ihrer Tätigkeit auf nicht lizenzierte Software konzentriert die u.a. kompatibel zu diversen Nintendo Konsolen war. Das interessante: Sachen hat nicht kopiert sondern lediglich nicht lizenzierte Software in Verkehr gebracht. Das heißt, Spiele wurden selbst programmiert und meist auf Multicart-Modulen veröffentlicht. Sammler bekommen hier feuchte Augen: die Sachen-Module bieten soliden Spielspaß durch eine anständige Programmierung. Wer Spiele wie Ant Soldier, Dan Laser, Sky Ace und Zoo Block zocken will, muss zu diesen Modulen greifen.

Weiterführende Informationen zu Sachen: http://bootleggames.wikia.com/wiki/Sachen

►Yong Yong/Makon Soft war ab 1999 bis Ende der 2000er Jahre aktiv im Geschäft mit nicht lizenzierter Software. Spezialisiert hat sich die chinesische Firma auf Game Boy Color Spiele und bediente den Markt mit etlichen Piratenmodulen zu Digimon, Pokémon, Harry Potter oder auch Sonic the Hedgehog. Um die Module für Kinder unwiderstehlich wirken zu lassen, wurden oftmals bunte transparente Modulgehäuse verwendet. Im Beispiel von Digimon 02 – 5 sind sogar winzige Glitzerfragmente im Kunststoff vorhanden. Allerdings gilt hier die Devise: Außen hui, innen pfui! Die Spiele sehen nicht wirklich schön aus, haben meist einen nervigen Dudelsound und laufen oft instabil. D.h. mit Spielabbrüchen müsst ihr jederzeit rechnen.

Weiterführende Informationen zu Yong Yong: http://bootleggames.wikia.com/wiki/Yong_Yong/Makon_Soft

►Multicarts sind Spielesammlungen die für wenig Geld unter’s Volk geschmissen werden. Bezeichnungen wie 33 in 1 (also 33 Spiele auf einem Modul) klingen noch recht human – ganz anders die reißerischen 99.999 in 1 Module die für einen starken Absatz sorgen sollen. Diese Sammlungen beinhalten mehrere raubkopierte Spiele die meist 1 zu 1 auf das Modul gebannt wurden. Meine Hoffnung, dass der Originalcode ausgelesen und übertragen wird und die Module vernünftig laufen hat sich nicht bewahrheitet: Programmabstürze sind hier an der Tagesordnung. Die Spielesammlung enttäuscht auch an einer anderen Stelle: Viele der Spiele befinden sich doppelt oder gar mehrfach unter anderen Bezeichnungen auf der Cartridge. Ein Beispiel gefällig? Asterix, Asterix Man, Old Asterix (alles die 1993er Infogrames Version).

Wie erkenne ich nicht lizenzierte oder raubkopierte Software?

Das ist gar nicht mal so schwer. Der geschulte Blick erkennt diese Module auf Anhieb ohne viel detektivischen Aufwand betreiben zu müssen. Hierfür muss man noch nicht einmal Ahnung von der Game Boy Softwarebibliothek haben. Grundsätzlich gilt: Man sollte wissen, wie die Modulgehäuse von original Game Boy und Game Boy Color Spielen geformt und auf der Oberseite beschriftet sind. Das ist schon einmal die halbe Miete. Darüberhinaus bietet es sich an, den Aufkleber auf der Cartridge kurz auf sich wirken zu lassen. Stellt euch folgende Fragen:

  1. Ist der Aufkleber qualitativ gelungen?
  2. Sind auf dem Aufkleber Trademark- oder Copyright-Hinweise vermerkt?
  3. Befindet sich auf dem Aufkleber das Seal of Quality (Ausnahme original japanische Module)?
  4. Gibt es Originalspiele mit Holografiefragmenten im Modulaufkleber?
  5. Kann es sein, dass sich ein Game Boy Color Spiel in einem Game Boy Classic Modul befinden könnte und umgekehrt?
  6. Welche Module besitzen im Original Glitzerfragmente? 

Wie sehen Game Boy Classic und Game Boy Color Module aus?

Originalmodule lassen sich an der Bezeichnung im oberen Viertel der Cartridge identifizieren. Bei Game Boy Classic als auch bei den ersten Game Boy Color Modulen lautet die Bezeichnung „Nintendo Game Boy“. Bei den späteren transparenten Modulen muss „Game Boy Color“ stehen.

Beispiele für Module die in dieser Form nicht original sind:

Deutlich zu erkennen sind die unterschiedlichen Bezeichnungen die allesamt von den Originalbezeichnungen abweichen. Am bekanntesten sind hierbei „Game Boy“, „Game“, „Game Color“. Etwas seltener trifft man auf „Nintendo Game Boy Game Color“. Die Modulaufkleber sind oftmals unsauber auf die Cartridge geklebt, der Druck ist schlecht und im Fall von Croc 2 haben wir integrierte Hologramme. Das Modul zu Digimon ist mit Glitzerfragmenten überhäuft. Die einzigen beiden Originalmodule die ich kenne und diesen Glitzer besitzen sind Pokémon Gold und Silber. Bal Loom Kid täuscht ein Game Boy Color Spiel vor – ein Junge mit Ballons und Bub aus Bubble Bobble rocken die Show? Weit gefehlt – nichts von all dem was der Modulaufkleber suggeriert stimmt. Tatsächlich befindet sich das Game Boy Classic Spiel Balloon Kid auf der Cartridge.

Original und Raubkopie anhand des Game Boy Color Spiels Disney’s Tarzan:

Im Folgenden zeige ich euch zwei Spiele in Papp-OVP inkl. Anleitungen. Eines davon ist Original, das andere eine Raubkopie. Viel Spaß beim Vergleichen.

Vorder- und Rückseite der Raubkopie. Man bemerkt direkt den qualitativ schlechteren Druck zum Originalspiel. In der linken Leiste heißt es hier „Game USA Color“. Schaut man genau hin kann man erkennen, dass sich der Text in einem Textfeldkasten befindet welcher einfach ganz billig bei der grafischen Zusammenstellung der Verpackung an diese Position kopiert wurde.

Die Pappverpackung der Raubkopie sieht sehr zusammengeflickt aus. Schreibfehler sind auf der Rückseite erkennbar.

Die Spielanleitung der Raubkopie ist von sehr schlechter Qualität. Die Schrift ist unscharf – das Bildmaterial miserabel.

Das Modul wirkt genauso minderwertig wie der Rest des Spiels.

Vorder- und Rückseite des Originalspiels. Man erkennt deutliche Unterschiede im Gesamtbild der Pappverpackung. Auf der Rückseite sind die kleinen Screenshots sehr gut zu erkennen.

Links die Raubkopie, rechts das Original.

Die Anleitung des Originalspiels ist in sehr guter Qualität. Die Texte sowie die Bilder sind gestochen scharf. Das Modul sieht hochwertig verarbeitet aus.

Hier beide Pappverpackungen im Direktvergleich.

4 Gedanken zu “Nicht lizenziert, kopiert und angeschmiert – Piratenmodule auf dem Game Boy

    1. Hallo Ignaz, vielen Dank für deinen Hinweis. Im Falle von Disney’s Tarzan auf dem Game Boy Color befindet sich das Nintendo Qualitätssiegel nicht auf der Vorderseite, sondern auf der oberen Lasche. Neben dem Qualitätssiegel ist folgender Text aufgedruckt „Dieses Qualitätssiegel ist die Garantie dafür, dass Sie Nintendo-Qualität gekauft haben. Achten Sie deshalb immer auf dieses Siegel, wenn Sie Spiele oder Zubehör kaufen, damit Sie sicher sind, dass alles einwandfrei zu Ihrem Nintendo Game Boy-System passt“.

  1. Danke für deine Antwort.
    Du meinst auf der Verpackung oder? Ich meine das Modul, da ich die Schlümpfe habe und da auch keines aufgedruckt ist, bei Snoopy aber schon, gleich über dem Nintendologo.
    Da dachte ich meines ist eine Fälschung. Aber sogar auf der Platine hinten ist das C1998Nintendo drauf, warum sollte man vorn das Qualitätssiegel vergessen. Und ich dachte mir auch warum so ein Billigspiel kopieren.

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